Gewalt an Schulen

Hans-Werner Hansen

Modell aus Perspektive des Faktors Körperliche & seelische Gewalt an Schulen

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Schüler entwickeln Konzept gegen Gewalt an Schulen

Gewalt an Schulen hat viele Ausdrucksformen: Prügeleien, Erpressung, Mobbing, Sachbeschädigung – auf physischer oder psychischer Ebene. Betroffen sind Schüler, Lehrer und Eltern. Die Zahl der registrierten Gewalttaten ist in den vergangenen Jahren erschreckend gestiegen. Welche Gründe zu Gewalt an Schulen führen und welche Maßnahmen dagegen helfen, haben Schüler von sechs norddeutschen Schulen im Rahmen des Aktionstages „Vernetztes Denken für Schulen" (2009 in Lübeck) untersucht.

In sechs je einstündigen Workshops entwickelten die Schüler ein Grob-Modell mit erstaunlich guten Ergebnissen. Moderiert wurden die Workshops von Consideo. Beim Forschen nach den Ursachen für Gewalt kamen die Schüler sehr schnell zu einer Vielzahl von Auslösern: Ausgrenzung, Überforderung der Eltern und Lehrer, oder auch gewaltverherrlichende Medien wie Killerspiele im Internet. Alle genannten Ursachen identifizierten sie durch Erstellung eines Ursache-Wirkungs-Modells. Dabei nutzten sie den iMODELER.

Mit dem iMODELER kann man sich und anderen die entscheidenden Zusammenhänge spielend-einfach vor Augen führen. Die Einflussfaktoren werden dabei per Geste, Sprache und/oder Mausklick eingegeben und und die Verbindungen hinsichtlich Wirkungsstärke (stark, mittel oder schwach) und zeitlichen Verzögerungen (kurz-, mittel- oder langfristig) grob definiert. Anschließend zeigt uns die einzigartige Erkenntnis-Matrix (siehe unten), was für ein erfolgreiches Handeln zu beachten (z.B. Risiken) und was zu tun ist (z.B. Maßnahmen).

Modell aus Perspektive des Faktors Fehlende Integration an Schulen & Kindergärten

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Einen wesentlichen Auslöser für Gewalt an Schulen sahen die Schüler in der fehlenden Integration von Außenseitern in Schulen und Kindergärten. Mit Fragen wie: „Warum grenzt man bestimmte Personen aus?“ oder „Was hält uns davon ab, auf ausgegrenzte Personen zuzugehen und diese in die Gruppe zu integrieren?“ näherten sich die Schüler dem Thema (Modellausschnitt: siehe oben).

Neben der Überlastung vieler Lehrer (verursacht durch einen Mangel an Lehrkräften) sowie fehlenden Integrations-Konzepten an Schulen und Kindergärten, wurde die Verharmlosung von Ausgrenzung als einer der Gründe genannt. Man schaut weg anstatt zu helfen.

Die Angst vor der eigenen Ausgrenzung hält viele Schüler davon ab, auf ausgegrenzte Personen zuzugehen. Diese Ängste scheinen der Hauptgrund für das Nicht-Handeln zu sein.

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Dies bestätigt auch die Erkenntnis-Matrix. In der Erkenntnis-Matrix (siehe Grafik oben) eines selektierten Faktors kann abgelesen werden, welche Einflussfaktoren in Summe positiv oder negativ wirken. Da ein Faktor über unterschiedlichste Wege auf einem selektierten Faktoren wirken und dabei sowohl negativ als auch positiv wirken kann, werden die Einfluss-Stärken einfach aufsummiert und auf der X-Achse entsprechend abgetragen. Vereinfacht gesprochen kann die Erkenntnis-Matrix wie folgt gelesen werden: je weiter die Faktoren links unten im roten Feld liegen, desto stärker wirken sie in Summe negativ, und je weiter die Faktoren oben rechts im grünen Feld liegen, desto stärken wirken sie positiv. (Natürlich sagt die Erkenntnis-Matrix noch mehr aus, jedoch reichte diese vereinfachte Analyse für unser Vorhaben aus.)

Demnach ist der Faktor „Angst vor der eigenen Ausgrenzung“ einer der Hauptursachen für die fehlende "Zivilcourage". Der Faktor befindet sich in vielen Rückkopplungsschleifen, wirkt langfristig und beeinflusst maßgeblich die fehlende Integration.

Zudem fehlt auch das Hintergrundwissen und die sozial-emotionale Kompetenz. Auch die Betroffenen verstärken ihre eigene Ausgrenzung, in dem sie „dicht machen" und ebenfalls nicht auf die Gruppe zugehen. Gründe hierfür könnten beispielsweise schlechte Erfahrungen und die damit verbundenen Enttäuschungen in der Vergangenheit sein - aber auch religiöse Gründe.

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Die Schüler diskutierten weiter, was uns davon abhält, auf Einzelgänger zuzugehen: Es fehlt an Anreizen und Motivation. Letzteres ist der entscheidende Hebel gegen Ausgrenzung und somit gegen Gewalt an Schulen. Dies zeigt sich in Faktor „Motivation, auf Ausgegrenzte zu reagieren“, der stark negativ auf die fehlende Integration wirkt.

Nur – wie können Schüler ermutigt und motiviert werden, den Kontakt zu Außenseitern herzustellen? Die Schüler fanden folgende Ansatzpunkte bzw. Erkenntnisse:

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Sanktionen oder harte Strafen könnten sicherlich die Hürde zur Gewalt erhöhen - jedoch allenfalls kurzfristig ....

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Mittel- und langfristig könnte diese Maßnahme aufgrund von negativen Folgewirkungen kontraproduktiv wirken. Jugendliche fühlen sich missverstanden und ungerecht bestraft und "rächen" sich bei den "Schuldigen" für ihre missliche Lage. Zudem baut sich aufgrund der permanenten Bestrafung Frust auf, der über zusätzliche Gewalt abgebaut wird.

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Effizienter ist jedoch die Eigen-Motivation jedes Einzelnen. Dabei regte eine Klasse an, eine Schulnote für Integrationsverhalten im Schulzeugnis zu vergeben oder Zertifikate für ein gutes soziales Verhalten auszustellen. Beide Bewertungen sahen die Teilnehmer auch vorteilhaft in Hinblick auf Bewerbungen. So könnten Personalverantwortliche ein besseres Bild der Bewerber erhalten.

Alle Schüler waren sich in einem Punkt einig: die Maßnahmen sollten in Fortbildung der Jugendlichen zu sozial-emotionalen Themen eingebettet werden - begleitet von Werte-Diskussionen an Schulen. Ein korrektes Werteverständnis führt mittelfristig dazu, dass aus Überzeugung gehandelt wird. Dies könnte durch ein Vorleben durch Vorbilder noch verstärkt werden.

Die Schüler und Lehrer waren von der Diskussionsrunde beeindruckt: „Wir waren mit Schülern des 13. Jahrgangs auf dem Aktionstag „Vernetztes Denken für Schulen" und sind begeistert von den Ergebnissen. Die unterschiedlichen Meinungen der Schüler wurden alle berücksichtigt und gemeinsam kamen wir sehr schnell zu einem erstaunlichen Modell. Überrascht hat uns die intuitive einfache Bedienung des iMODELERS von Consideo. Im Unterricht werden wir uns weiter in Projekten damit beschäftigen, nach weiteren Einsatzmöglichkeiten in unserer Schule suchen und diese dann für den Einsatz im Unterricht realisieren“, so Björn Stallbaum, Koordinator für Neue Medien am Gymnasium Trittau.