IAM-Projekt: Modell zu den Triebfedern menschlichen Handelns

Kai Neumann

Modell aus Perspektive des Faktors Was wir tun

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Ein qualitatives Ursache-Wirkungsmodell von Kai Neumann zur Erläuterung der Triebfedern menschlichen Handelns hergeleitet durch die KNOW-WHY-Denkweise [Kai Neumann in E:CO, Vol. 15, No. 3, 2013: "KNOW WHY Thinking as a new approach to systems thinking"] und die sich daraus ergebenden Schlüsse auf ein Wandel hin zu nachhaltigerem Verhalten.

Motivation: Als widerlegt und doch noch extrem verbreitet als Grundlage vieler Modelle der Ökonomie aber auch der Politik gilt der rein rational entscheidende homo oeconomicus. Bei dieser Betrachtung werden aber viele soziale und psychologische Aspekte augeklammert, weshalb eine differenziere Sicht auf die Motivation des Menschen lohnt (Siehe auch "bounded rationality" von Herbert Simon http://en.wikipedia.org/wiki/Bounded_rationality, oder homo sociologicus oder homo socio oeconomicus, kein homo psychologicus.)

Die Psychologie beschreibt menschliche Motivation durch Inhalts- oder Prozessmodelle [http://de.wikipedia.org/wiki/Motivation] . Die normativen Inhalts-Beschreibungen beruhen zumeist auf dem Barnum-Effekt und sind eben austauschbar. Die Neurowissenschaften stoßen an ihre Grenzen [Pauen, M.: “Neuroökonomie - Grundlagen und Grenzen”, 2007 in Analyse & Kritik 29/2007, p. 24-37
https://www.dropbox.com/s/1jzhjhk67xxnks6/Neurowissenschaften.pdf]. David McClelland gibt Zugehörigkeit, Macht und Leistung als zentrales Bestreben von Menschen vor, begründet durch Neurotransmitter. Barbuto teilt die intrinsische Motivation in Prozessmotivation und Selbstverständnis, und die extrinische Motivation in Instrumentelles, Externes Selbstverständnis und Internalisierung von Zielen als die Fünf Quellen der Motivation ein. Seligman [Seligman, Martin: “Eudaemonia: The Good Life” in Brockman, John (Hrsg.): “The Mind: Leading Scientists Explore the Brain, Memory, Personality, and Happiness”, 2011] sieht neben reinem Spaß und den Freuden an den Lieblingstätigkeiten (Flow) als drittes Motiv das Verfolgen höherer Ziele, eines Sinns.
Der Bio-Psychologie [Gorman, Philip: “Motivation and Emotion”, 2004] fehlt in meinen Augen eine systemische Klammer, die ihre Anwendbarkeit gerade auch bezogen auf nachhaltiges Verhalten und die Brücke zur Soziologie schlägt. Ohne dem handelt es sich um beliebig differenzierte Beschreibungen, die manch Menschen in seinem Verhalten treffend erklären, manch einen aber nicht, oder die einen kogntiviten Prozess und dessen physiologische Entsprechung in den Hirnaktivitäten beschreiben, aber nicht fragen, warum das so sein sollte.

Evolutionär begründet und durch die Bio-Psychologie und die Neurowissenschaften indirekt ebenfalls bestätigt - wenngleich trivial - ist, dass durch Gefühle motiviertes Handeln, unser Wollen, durch den Ausstoß von Neurotransmittern und anderen Hormonen begleitet sind [Layard, Richard: “Happiness: Lessons from a New Science”, 2011].

Die KNOW-WHY-Denkweise kategorisiert diese nun nicht normativ - zumeist aus der Perspektive eines Autors - in Anlehnung an etwas zu Beobachtendes, etwa, dass jemand nach Macht strebt, sondern begründet diese evolutionär, fragt also, warum die Natur diese Hormone geschaffen hat.

Die Antwort: um zu überleben! Wir müssen uns anpassen und als kooperatives Wesen, müssen wir den sozialen Zusammenhalt suchen. Durch unsere lange schutzlosen Kinder [s. Morris, Desmond: "Das Tier Mensch" 1994 oder auch Layard, Richard: “Happiness: Lessons from a New Science”, 2011] formen wir Partnerschaften und Familienbunde. Auf der anderen Seite haben wir den Drang uns ständig weiter zu entwickeln, neue Lösungen zu finden. Beides, das Bedürfnis der Integration und das der Weiterentwicklung haben unsere Kulturen, Religionen, Errungenschaften und die Zivilisation als Ganzes zum Ergebnis [Neumann, Kai: "KNOW-WHY: Model Dein Glück", 2009]. Die Reflexion von Menschen und die Frage nach dem, was Gefühle der Integration und was Gefühle der Weiterentwicklung bedingt, nenne ich KNOW-WHY-Denkweise. Wichtig dabei, dass innerhalb von Kulturen und Subkulturen, von Nachbarschaften und Familien, zwar geteilte Werte zu ähnlichem Verhalten führen, dass aber grundsätzlich das Verhalten, das zum Integrations- oder Weiterentwicklungsgefühl führt, ausgetauscht werden kann, dass es sich also objektiv für eine Person genauso gut anfühlt, die gleichen Neurotransmitter ausgestoßen werden, wenn diese beispielsweise am Computer mit ihrer Katze spricht, wie für eine andere Person sich vielleicht das Fußballspiel nebst Bierkonsum mit den FreundInnen anfühlt. Die große Chance besteht nun darin, nicht-nachhaltiges Verhalten nicht nur einfach zu unterbinden oder qua Verstand und Displin aufzugeben, sondern Alternativen, die sich genauso gut anfühlen zu finden.

Wie eben schon angemerkt, sind viele Entwürfe menschlichen Strebens aus der in mancher Hinsicht (s. z.B. Spiral Dynamics) überdurchschnittlichen, eliträreren Perspektive eines Wissenschaftlers geformt. Mit Blick auf die Masse der Menschen sind die Ziele menschlichen Handelns normativ aber viel anspruchsloser (wertfrei!) und doch sind die Hormon- und Neurotransmitter-Ausschüttungen die selben [Layard, Richard: “Happiness: Lessons from a New Science”, 2011]. Wenngleich die Transformationsforschung nun auch postuliert, dass möglicherweise die elitäreren Change Agents den Wandel für weniger elitäre Nachahmer anstoßen [Holzinger, Hans: “Wie umsteuern? Transformationsforschung im Kontext nachhaltiger Entwicklung”, auf Basis eines Beitrags im “Jahrbuch Bildung für nachhaltige Entwicklung”, herausgegeben vom Forum Umweltbildung (Wien, 2013): https://www.dropbox.com/s/b50ep1qe0bytpqm/b_holzinger_wie%20umsteuern.pdf], ist doch die Frage, welche individuellen Hormon-Auslöser bei der Masse vorliegen, damit wir uns nicht wundern, wenn sich ein Wandel etwa durch ein Streben nach Nachhaltigkeit als Sinn nicht vollzieht, nur, da wir nicht differenziert genug geschaut haben. Differenzierter können wir schauen, wenn wir einfacher bzw. genereller schauen:

Generell wollen wir Integration und Weiterentwicklung fühlen - ob nun durch Spaß, Flow oder Sinn, ob durch Zugehörigkeit, Macht oder Leistung. Und dass der eine weniger Macht möchte und der andere mehr, liegt einfach daran, dass der eine die dafür notwenige Persönlichkeit entwickelt hat, während der andere ohne diese mit einem Machtbestreben einen Verlust von Integration, von Selbstsicherheit verbindet.

Mit der KNOW-WHY-Denkweise können wir also ganz einfach sagen, dass nicht-nachhaltiges Verhalten - sofern es gewollt ist - aufgrund von Integrations- und Weiterentwicklungsgefühlen gewählt wird, und dass eine Aufgabe dieses Verhaltens ein Verlust des guten Gefühls wäre.

Bezogen auf Nachhaltigkeit geht es darum,

1. Luxusartikel wie Kleidung, Autos oder Reisen zu minimieren, das inkludiert auch sehr warme Wohnzimmer und Duschen oder große Räume und Gärten.

2. Dinge des täglichen Gebrauchs auszutauschen - entweder gegen teurere, wertigere Artikel, oder gegen etwas mehr persönlichen Aufwand, sprich Zeit und Anstrengung. Das reicht vom Kloputzen über die Verwendung einer Wäscheleine bis zum Gärtnern.

3. In intelligentere, nicht zwingend fühlbare, Lösungen zu investieren, und damit Kaufkraft für anderes aufgeben.

Das vorliegende Modell zeigt nun, wie menschliches Verhalten insgesamt erklärt werden kann. Hier im Präsentator habe ich einige Ansichten zusammengestellt, die bezogen auf die Veränderung zu nachhaltigerem Verhalten nützlich sind.

Das Gesamtmodell enthält 17 Faktoren, 38 Verbindungen und 69 Wirkungsschleifen. Hier hervorgehoben beispielsweise die selbstverstärkende (rot) Schleife einer Entwicklung von Trends und die ausgleichende (blau) Wirkungsschleife, die zu einem zeitlichen Gleichgewicht zwischen dem, was wir wollen, und dem, was wir müssen führen kann.

Modell aus Perspektive des Faktors Was wir tun

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Menschliches Handeln lässt sich im Grunde auf diese vier Kategorien reduzieren. Wenn wir menschliches Verhalten etwa hin zu mehr Nachhaltigkeit ändern wollen, sollten wir die Mechanismen zwischen diesen Katgorien verstehen.
Für jedes Individuum gelten andere Gewichtungen, und während für den einen beispielsweise Autofahren ein Müssen ist, ist es für den anderen vielleicht ein Wollen.

- Ohne Bedeutung ist bei den meisten von uns denkbar wenig, könnte beispielsweise 'gedankenlos' vor Fernseher sitzen zu bleiben oder sein, aber in dem Moment, wie wir das beispielsweise unbewusst machen, da es uns entspannt, ist es schon wieder gewollt - wenn auch unbewusst und wenn auch bewusst genau das ggf. nicht gewollt ist. (Layard, Richard: “Happiness: Lessons from a New Science”, 2011 meint auch, dass im Grunde alles, was wir tun, eine Bedeutung hat)

- Auferlegt könnten beispielsweise eine Geschwindigkeitsbegrenzung oder die Pflichten im Job sein.

- Uns selbst auferlegen können uns wir beispielsweise einen strengen Diätplan oder den Gang zur Arbeit.

- Wollen können wir beispielsweise das Treffen mit Freunden oder die neue Herausforderung im Job.

All diese Beispiele können bei vielen Menschen aber genau anders verteilt sein, der Job und die Diät sich toll anfühlen und das Treffen mit Freunden Pflicht sein.
Außerdem haben manche Menschen mehr oder weniger Pflichten und mehr oder weniger Freude. Eine Gewichtung der hier eingeblendeten Verbindungen kann also nur individuell erfolgen.

Modell aus Perspektive des Faktors Vitalität, Energie

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Ohne Zweifel hat das, was wir wollen, mehr Kraft, als das, was wir müssen [Layard, Richard: “Happiness: Lessons from a New Science”, 2011]. In habe auch schon mal begründet, dass selbst offenbar selbstloses Handeln beispielsweise von Mönchen emotional belohnend wirkt und eben nicht selbstlos ist [Neumann, K.: "KNOW-WHY: Model Dein Glück", 2009].
Wenn wir etwas ohne unmittelbare emotionale Belohnung oder sogar mit negativen Gefühlen behaftet machen müssen - sei es, weil wir uns das auferlegen oder andere uns gar dazu 'zwingen' -, brauchen wir hierzu so etwas wie einen Disziplin-Muskel. Gerade Kinder haben den anfangs noch nicht und gehorchen wesentlich mehr ihren Hormonen, während umgekehrt später einige Erwachsene mehr diszipliniert und vielleicht schon zu wenig emotional leben [Neumann, K.: "KNOW-WHY: Model Dein Glück", 2009]. Dieser Muskel kann trainiert werden, hängt aber auch von der Kraft und Energie ab, die wir haben. Vieles wird später belohnt und gibt uns für die Zukunft Kraft.
Für die Nachhaltigkeit bedeutet das zwar, dass wir zu etwas gezwungen werden können und uns daran gewöhnen werden, aber eben nur, wenn wir an anderer Stelle durch emotional belohntes Verhalten die Energie dafür gewinnen. Willkürliches Beispiel hierzu: Eine Regierung, die der Bevölkerung mehr Lebensfreude durch Freibäder, Autofreie Städte oder die Identität als ökologischstes Industrieland der Erde u.ä. beschert, darf auch ein Tempolimit auf Autobahnen oder eine erhöhte Energiesteuer verhängen.

Modell aus Perspektive des Faktors Was wir tun

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Wenngleich in dem Modell nur ein Faktor am Rande und auch in einem Faktor zusammengefasst, ist das evolutionär begründete Verlangen nach Integrations- und Weiterentwicklungsgefühlen entscheidend. Bewusstheit, Emotionale Intelligenz und Wissen haben wir Menschen alle im unterschiedlichen Maße (Autoren von Arbeiten zum Thema Nachhaltigkeit sicherlich überdurchschnittlich viel), aber das Bedürfnis und die Fähigkeit Integration und Weiterentwicklung durch unterschiedlichste Dinge im Leben zu erfahren, haben wir alle die gleiche! Bewusst [Layard, Richard: “Happiness: Lessons from a New Science”, 2011] oder unbewusst machen wir also Dinge, die uns gut tun, in Abhängigkeit von den Werten unseres Umfeldes, die wir durch unsere eigene Weiterentwicklung durchaus leicht selbst verändern können. Wir agieren dann als Opinion Leader oder Change Agents siehe bei Holzinger, Hans: “Wie umsteuern? Transformationsforschung im Kontext nachhaltiger Entwicklung”, auf Basis eines Beitrags im “Jahrbuch Bildung für nachhaltige Entwicklung”, herausgegeben vom Forum Umweltbildung (Wien, 2013)

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Die Positionen der Faktoren änderte sich noch, wenn für konkrete Menschen oder bestimmte Typen von Menschen eine Gewichtung der ersten Ebene der Faktoren vorgenommen würde, denn in genau dieser ersten Ebene unterscheiden wir Menschen uns.