Integrated Assessment Modell (IAM) Nachhaltigkeit für das Umweltbundesamt (3)

Kai Neumann

Modell aus Perspektive des Faktors Nachhaltige Gesellschaft

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Umweltbundesamt Projekt von Consideo zusammen mit Prof. Heinrichs von der Leuphana-Universität Lüneburg:

Integrated Assessment Model ((IAM)

Ziel des explorativen, qualitativen Ursache-Wirkungsmodells ist ein besseres Verständnis der Herausforderung Deutschlands zu mehr Nachhaltigkeit zu kommen und dabei insbesondere auch die Kluft zwischen Wissen und Handeln bei den einzelnen Akteuren zu begreifen. Die Wirkungsbeziehungen in diesem Modell ergeben sich aus der Befragung von Experten und Stakeholdern sowie der Literaturrecherche.

Das Modell enthält:

- nachhaltigen und nicht-nachhaltigen Konsum wie auch nachhaltige und nicht-nachhaltige Wirtschaft
- das Verhalten von Verbrauchern (gefühlte Integration und Weiterentwicklung als biopsychologische bzw. evolutionsbiologische Triebfedern menschlichen Handelns)
- Bildung und Aufklärung über die Zusammenhänge
- Verhalten der Medien
- Wettbewerb in der Politik und zwischen Standorten
- Wettbewerb in der Wirtschaft
- Demographische Entwicklung
- Technologische Entwicklung
- Ressourcen-Knappheit und -Kosten
- Umweltverschmutzung und Versicherungskosten
- Globale Wirtschaft
- Länder, die vom Anstieg der Ressourcenpreise profitieren
- Finanzmärkte und kreative Finanzmarktprodukte
- Wettbewerb zwischen Realwirtschaft und Finanzwirtschaft
- Politische Kooperation

Farben der Faktoren im Modell:

lila - Ziele
rot - Hindernisse auf dem Weg zur Nachhaltigkeit
grün - Maßnahmen, Hebel für mehr Nachhaltigkeit
weiss - nicht beeinflussbare, externe Faktoren
gelb - Ziele
türkis - Hauptziele
dunkelblau - zentrales Ziel
orange - Makrofaktoren

Die Faktoren im Modell sind bewusst sehr grob gehalten, da das Ziel der Gesamtzusammenhang und nicht einer Erläuterung aller Varianten etwa der Umweltverschmutzung, des umweltfreundlicheren Verhaltens oder der politischen Maßnahmen war. Wenn im Modell also beispielsweise politische Maßnahmen auf ein etwaiges Bewertungssystem wirken, kann sich dieser Einfluss auf die Förderung der Entwicklung von Messmethoden beschränken. Solche spezifischen Wirkungen sind zumeist über die Beschreibungstexte der Verbindungen erläutert.

Wenn die Einzelverbindungen eines Modells richtig sind, ist auch das Gesamtmodell richtig. Eine Kritik an dem Modell oder eine Verbesserung des Modells kann nun auf drei Wegen erfolgen:

1. Verbindungen sind falsch - selbst mit diesen groben Faktoren gibt es die nicht.
2. Gewichtungen im Vergleich zu anderen Faktoren sind falsch.
3. Faktoren fehlen, sind nicht in den groben Faktoren enthalten.

Das Modell zeigt also zum einen auf, wie alles zusammenhängt. Zum anderen zeigt es die Bedeutung der evolutionären Triebfedern menschlichen Handelns. In der Folge kann das Modell nun als Ausgangspunkt für die Reflexion vieler konkreterer Maßnahmen genommen werden, die dann in einem eigenen, detaillierteren Modell betrachtet werden können, die aber immer auch in diesem Gesamtzusammenhang gesehen werden sollten.

Das Modell ist über diesen Link direkt aufrufbar:
https://imodeler.info/ro?key=AZ1G5dBFBFpJygUEe_RvcvA

(Diese Folie zeigt eine geclusterte Ansicht (zu erkennen an den gestrichelten Verbindungen und Umrandungen der Cluster-Faktoren) der Faktoren, welche die Grobstruktur des Modells zeigen soll)

Modell aus Perspektive des Faktors fähige Angebote pro Nachhaltigkeit

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Gelesen wird das Modell am einfachsten durch Perspektivwechsel und der Anzeige von nur ein oder zwei Ebenen. Hier das Beispiel einer Ansicht des Modells aus der Perspektive (es können Faktoren in das Zentrum des Modells gestellt werden, so dass nur deren Beeinflussungen und Einflüsse zu sehen sind) des Faktors "fähige Angebote pro Nachhaltigkeit", mit zwei Ebenen eingeblendet. In den Beschreibungstexten der Faktoren und Verbindungen finden sich weitere Erläuterungen.

Modell aus Perspektive des Faktors Nachhaltige Gesellschaft

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Das Modell selbst hat nur 61 Faktoren und 206 Verbindungen - formt aber durch diese über 15 Mio Wirkungsschleifen (ausgleichende und selbstverstärkende Rückkopplungsschleifen, die wiederum Teufels- oder Engelskreise darstellen können). Jede dieser Wirkungsschleifen bildet tatsächlich eine Argumentationskette und begründet eine Dynamik - was letztlich hilft, besser mit der Komplexität umzugehen.

Modell aus Perspektive des Faktors Nachhaltige Gesellschaft

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Gestartet wurde das Modell (hier gezeigt nur zwei Ebenen) mit der explorativen KNOW-WHY-Methode und den vier Fragen bei jedem Faktor, was denn direkt zu mehr oder weniger, jetzt oder in Zukunft führt, ausgehend vom Faktor "Nachhaltige Gesellschaft", wobei "nachhaltig" hier sich nur auf umweltfreundlich und ressourcenschonend bezieht. Etwaige weitere Dimensionen des Nachhaltigkeitsbegriffs, etwa die Gerechtigkeit, sind durch weitere Faktoren im Modell impliziert.

Modell aus Perspektive des Faktors Konventionelle Produktion / Wirtschaft

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Wirtschaft ist im Modell durch mehrere Faktoren abgebildet - hier aus der Sicht der konventionellen Wirtschaft und nur einer eingeblendeten Ebene. Demnach hängt die Wirtschaft vor allem von der Nachfrage (In- und Ausland), von dem Erfolg der alternativen Wirtschaft und von etwaigen staatlichen Lenkungsmaßnahmen ab. Wie die nachhaltige Wirtschaft auch, hängt sie zudem von Kreditvergaben ab, die wesentliche Vorraussetzung für Investitionen in Innovationen und Verbesserungen.

Modell aus Perspektive des Faktors Nachhaltige Bürger

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Aus Sicht der Bürger können wir uns nicht-nachhaltig verhalten (konsumieren inkl. Reisen, Wohnen etc.), ein solches Verhalten durch nachhaltigere Alternativen ersetzen, oder auf Konsum verzichten und stattdessen mehr durch unser Tun denn durch Haben uns definieren, gute Gefühle erzeugen. Diese guten Gefühle lassen sich evolutionsbiologisch in Gefühle der Integration (Schutz, Geborgenheit, Zugehörigkeit) und der Weiterentwicklung (Errungenschaften, Neues ...) unterteilen. Wodurch wir uns jeweils integriert oder weiterentwickelnd fühlen, ist grundsätzlich austauschbar, hängt aber von den Werten unseres Umfelds ab. Eine Verhaltensänderung hin zu mehr Nachhaltigkeit ist also keine rein rationale Wahl, sondern ein Aufgaben heutiger, guter (meist sogar unbewusst) Gefühle, welches nur durch sich ebenfalls gut anfühlende Alternativen möglich wird.

Modell aus Perspektive des Faktors konsequente Politische Maßnahmen pro Nachhaltigkeit

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Politische Maßnahmen können Förderung, Besteuerung oder Verbote sein. Sie hängen von den öffentlichen Finanzen ab, vom Erkennen der Notwendigkeit einer Änderung, und von der Nachfrage seitens der Gesellschaft. Einen expliziten Einfluss der Wirtschaft auf die Politik haben wir in diesem Modell nicht angenommen.

Modell aus Perspektive des Faktors Nachhaltigkeit als Wert

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Zentral im Modell ist der Wertewandel in der Gesellschaft. Dieser muss angestoßen werden und dann verbreitet werden. Hierzu gibt es noch ein separates Modell: https://www.imodeler.info/ro?key=A5bmkfLvGbduUPnYmgPHWkw

Modell aus Perspektive des Faktors Medienunterstützung pro Nachhaltigkeit

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Die Medien sind wichtiger Multiplikator eines Wandels. Sie hängen aber selbst von der Nachfrage seitens der Gesellschaft ab.

Modell aus Perspektive des Faktors Kreditvergabe (privat und unternehmerisch)

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Gerade mit Blick auf die Ideen zu einer Postwachstumsgesellschaft und zur Bezahlbarkeit eines Wandelns muss auch der Kapitalmarkt im Modell berücksichtigt werden. Hierzu gibt es ebenfalls ein eigenes Modell: https://www.imodeler.info/ro?key=A86mLUCmCMqckNcwmAz-KJQ

Modell aus Perspektive des Faktors Zunehmendes Wohlstandsgefälle

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Das Modell mit all seinen Faktoren, Verbindungen und Wirkungsschleifen lässt sich über so genannte Erkenntnis-Matrix auswerten. In den Matrizen wird auf der x-Achse der kurz-, mittel- und langfristige Einfluss anderer Faktoren auf einen ausgewählten Faktor betrachtet. Die Summe der Wirkungen auf allen Wirkungswegen. Es geht dabei nicht um die absolute Position, sondern um den Vergleich mit der potentiellen Wirkung anderer Faktoren. Wenn alle Verbindungen bzw. Annahmen im Modell richtig sind, ist auch Auswertung über die Erkenntnis-Matrix bis auf wenige Ausnahmen (s. Neumann, 2013) richtig.
Die größte (siehe Position auf der horizontalen Achse) Wirkung (grüne Faktoren gleich Ansatzpunkt für Maßnahmen) haben potentiell der Verzicht auf Konsum, das Angebot nachhaltigerer Produkte, eine Bewertung von Verhalten, politische Maßnahmen, die Medienunterstützung und die Kenntnis der Zusammenhänge.

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Die größten Hindernisse sind offenbar das gute Gefühl durch den Konsum, Gegenstudien und Anzweiflungen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Verhaltensänderung, die Lobby konventioneller Wirtschaft und kurze Innovations- und Lebenszyklen von Produkten.

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Nach einem Zoom der Ansicht in der Matrix werden auch die übrigen Faktoren in ihrer Bedeutung für das übergeordnete Ziel sichtbar....

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....

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Die Erkenntnis-Matrix von "Nachhaltige Bürger" zeigt, wovon nachhaltigeres Verhalten offenbar abhängt: Zum einen sicherlich von dem guten Gefühl, welches uns nicht-nachhaltiges Verhalten gibt und von Gegenstudien, durch die wir dann unser bisheriges Verhalten nicht weiter in Frage stellen müssen. Auf der anderen Seite aber führten die Kenntnis über die Zusammenhänge, konsequente politische Maßnahmen, eine Bewertung unseres Verhaltens, eine Unterstützung durch die Medien und fähige Angebote seitens der Wirtschaft zu einem nachhaltigen Verhalten.
Die Verbraucher handeln also nicht allein aufgrund rationaler Kriterien und sind auch nicht von dem Verhalten von Politik, Wirtschaft, Medien und natürlich der großen Masse anderer unabhängig.

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Auch Unternehmen sind von anderen Akteuren abhängig. Politischer Zwang, die Nachfrage seitens der Kunden und eine Medienunterstützung haben die offenbar größte Wirkung.

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Und auch die Politik ist von dem Verhalten der anderen Akteuren maßgeblich abhängig....

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... wie natürlich auch die Medien.

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Schließlich die Erkenntnis-Matrix von einem Wertewandel hin zu mehr Nachhaltigkeit, kurz- bzw. ....

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.... langfristig

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Als Beispiel für weitere interessante Faktoren und deren Erkenntnis-Matrizen hier die von "fähige Angebote pro Nachhaltigkeit". Das könnten beispielsweise Elektroautos, Solaranlagen, Passivhäuser etc. sein. Häufig hören wir derzeit das Gegenargument, dass diese erst bezahlbar sein müssten und eine Investition sich heute einfach nicht lohne. Die Faktoren, die positiv auf die fähigen Angebote wirken, sind vielleicht wenig überraschend, aber die Faktoren, die zunehmend negativ wirken, sollten aufhorchen lassen: Zum Beispiel die zunehmende Schuldenlast oder die alternde Bevölkerung oder ein möglicher Kollaps des Finanzsystems sind Faktoren, die darauf hinweisen, dass das, was heute zu teuer scheint, in Zukunft noch viel teurer sein wird. Die Chinesen sagen: Baue einen Brunnen jetzt - nicht erst, wenn du durstig bist.
Interessant auch, dass sowohl konventionelle Wirtschaft als auch konventioneller Konsum kurzfristig noch positiv auf die Angebote pro Nachhaltigkeit wirken. Es ist der Reichtum, den wir jetzt haben, der uns in etwas besseres investieren lässt - ein wichtiges Argument auch bei der Frage der Postwachstumsökonomie, denn große Teile der technologischen Strukturen und (s. Beinhocker: "The origin of wealth", die wir auch in einer nachhaltigeren Gesellschaft haben wollen, können wir uns aufgrund der Leistungen der konventionellen Wirtschaft leisten.

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Bereits mittelfristig aber steht der konventionelle Konsum in Konkurrenz zum nachhaltigen Konsum. Die Konkurrenz unter fähigen Angeboten und deren Produktlebenszyklen wirken selbstverstärkend zunehmend.

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Während für das Angebot pro Nachhaltigkeit das Wissen wichtiger als das gute Gefühl und die Werte sind, ist es beim nachhaltigen Konsum umgekehrt.

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Zum Abschluss eine Matrix, welche die geclusterte Wirkung aller Faktoren der jeweilige Akteure beschreibt. ...

Modell aus Perspektive des Faktors Nachhaltige Gesellschaft

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.... die vorangegangene ist die Matrix dieser Modellansicht.